Die Reparatur in Peru hat unsere Zeitvorstellungen etwas durcheinander gebracht. Deshalb haben wir Bolivien in sehr kurzer Zeit durchquert.

Hinzu kommt, dass wir (entgegen meiner persönlichen Planung) nicht die berühmte "Lagunenroute" gewählt haben, sondern anstelle dessen in Nordchile durch 4 Nationalparks gereist sind. Diese Wahl wurde von Overlandern, die wir in Iquique getroffen haben und sei 10 Jahren Südamerika bereisen, als richtig bezeichnet. Die Lagunenroute sei mittlerweile von Touranbietern sehr überlaufen.

Wir starten die Bolvienroute in Copacabana am Titicacasee, hier übernachten wir im Hostel Suma Samawi. Als nächstes fahren wir gen La Paz, vorbei an den wunderbaren Cordillera Real, die Gletscher grüßen und locken. Aber die Regenzeit dräut und deshalb machen wir nur einen Kurzbesuch beim berühmten Hotel Oberland in La Paz. 

Als ich im Sommer hier war, waren alle Stellplätze voll, es war Travellerzeit. Jetzt ist alles leer und wir "genießen" den Heiligabend hier ganz alleine. Hier entschließen wir uns auch, nicht zum Salzssee Uruyi und nicht die Lagunenroute zu befahren, sondern auf kurzem Weg nach Chile zu reisen und dort durch 4 Nationalparks zu reisen. Es wird eine tolle Fahrt über den Altilano hin zum Nationalpark Sajama. Er heißt so wegen des zentralen Vulkans, daneben sind zwei Bilderbuchvulkane, alle sind höher als 6000 m.

Direkt danach kommt die chilenische Grenze, wegen der strikten Zollkontrolle etwas heikel. Am berauschend schönen Chungará-See vorbei geht es weiter nach Putre. Allerdings sind wir etwas entsetzt, wie vermüllt der See und die Straße ist. Es ist der erste Gruß von Chile an uns müllverwöhnten Europäern.

Montag, 21.12.2015 Grundsätzlich könnten wir auf das Gelände des Hostals Suma Samawi im Ort Copacabana fahren und dort übernachten. Seit dem letzten Mal haben die Besitzer eine Höhenbegrenzung entfernt, man muss lediglich ein Stromkabel nach oben drücken. Viel schöner ist es aber, vor dem HostaL direkt am Strand zu übernachten, hat man von hier aus doch einen wunderschönen Blick auf den Titicacsee (der berühmte Strand in Rio de Janeiro hat seinen Namen von diesem Ort bekommen). Leider spielt das Wetter, wie so oft zu dieser Jahreszeit, nicht mit, so dass wir den ganzen Tag mehr oder weniger im WoMo hocken, schreiben, lesen und kochen. Nachmittags trudelt ein Pärchen mit kleinem Kind mit Mercedes Sprinter ein. Beide sind auf Elternzeit und in bislang 6 Monaten von Alaska bis hierunter gefahren, Respekt, Respekt. Am Abend gibt es einen Film auf dem Computer, und dann ab ins Bett.

 

Dienstag, 22.12.2015 Hartmut irrt sich in der Urzeit, und so sitzen wir schon um 6:30 am Frühstückstisch. So haben wir endlich mal einen längeren Tag.

Wir beschließen, heute noch hier zu bleiben, um endlich unsere Texte und Bilder auf den neuesten Stand zu bringen. Der kleine Stellplatz beim Hotel Oberland in La Paz läuft uns hoffentlich nicht weg.

Nachmittags laufen wir bei schönem Wetter am Strand entlang in den Ort Copacabana und durch den Ort hindurch. Der ganze Ort lebt vom Tourismus, überall Touristengeschäfte, Restaurants, wir werden permanent gefragt, ob wir nach La Paz fahren wollen oder in eine andere bolivianische Stadt.

Die ganze Zeit haben wir strahlenden Sonnenschein, dann ziehen aber dicke Wolken auf und kurz nach unserer Rückkehr gewittert es. Das scheint jetzt das normale Wetter hier zu sein, bis Nachmittags Sonnenschein und dann Gewitter. 

Mittwoch, 23.12.2015 Es hat zwar in der Nacht wieder geregnet, aber schon beim Frühstück haben wir einen wunderbaren Blick über den See. Wir wollen heute La Paz erreichen, und am 24. dort auf dem Parkplatz des Hotel Oberland Weihnachten feiern, mit einer guten Skype-Verbindung für Telefonate nach Deutschland. Die Straße windet sich hoch und höher, und bietet wunderbare Ausblicke auf den Titicacasee. Auch der Blick auf die bolivianische Seite des Sees mit vielen, kleinen Inseln, ist phantastisch.

Am Straßenrand stehen überall bettelnde Kinder. Sie haben sich aus Plastikfolie Unterschlüpfe gebaut, um bei Regen trocken zu bleiben. Kaum sehen sie uns, springen sie auf und halten ihre Hände in Richtung auf uns. Wir sind erstaunt, können das ganze uns aber nicht erklären. Erst ein paar Motorradfahrer aus Chile klären uns auf. Es ist anscheinend hier ein Weihnachtsbrauch, dass die armen Indiokinder sich auf diese Art sich einige Geschenke von den vorbeifahrenden Autofahrern erhoffen. Wir sind ganz bedrückt, haben wir doch nichts zu verteilen. Und für die Masse an Kindern hätte man viele Kilos an Bonbons kaufen müssen. Auch wenn wir keinen einzigen Autofahrer haben anhalten gesehen, wir hätten liebend gerne was zum verteilen gehabt. Wenn wir das vorher gewusst hätten, hätten wir im letzten Supermarkt einen Großeinkauf getätigt.

Gegen Mittag wechseln wir mit einer kleinen Fähre für viele Bolivianos auf die andere Seeseite, wo wir recht bald eine Mittagspause machen. Die Ausblicke auf den See und die verschneite Cordillera Real sind atemberaubend.

Trotz fortgeschrittener Zeit besuchen wir nach der Mittagspause das „Titi-Museum“ in einem kleinen Dorf, direkt am Titikakasee. Anhand von Bildern, Englisch sprachigen Texten und Exponanten aus Schilf können wir uns ein gutes Bild von der Entwicklung der Schilfboote machen, die sowohl den Titikakasee, als auch die Weltmeere befahren haben und noch werden.

Um das Museum herum liegt alles voller Schilf, zwischen Museum und Straße ist alles voll, die Durchgänge neben dem Museum und der Raum hinter dem Museum sind verstopft, man kann kommt kaum am Museum vorbei. Die Leute dort bauen gerade ein Schilfboot, das 2016 von Südamerika nach Australien segeln soll. Hier wohnt einer der wenigen Experten, der noch in der Lage ist, ein seegängiges Schilfboot zu bauen. Und das tut er gerade.

Für mich ist der Besuch ein besonderes Erlebnis, habe ich doch als Kind die Erlebnisse des Norwegers Thor Heyerdal gerade zu verschlungen, der zunächst 1947 mit einem Balsa-Floß von Peru nach Polynesien, 1969 und 1970 dann mit den Schilfbooten Ra I und Ra II von Marokko nach Südamerika gesegelt war. Überall riecht es nach getrocknetem Schilf, und die Vorstellung, dass aus diesem Material in Handarbeit schon ein Schiff mit einer Länge von 36 Metern hergestellt wurde, ist einfach aufregend.

Leider drängt die Zeit, wir wollen vor Einbruch der Dunkelheit in La Paz sein. Bei Hartmuts letzten Besuch in der Stadt hat er ca. 4 h gebraucht, um durch das Marktviertel von Altos und durch La Paz selber zum Hotel Oberland zu kommen. Jetzt kennen wir die „Abkürzungen“, um auf einem direkteren Weg unter Vermeidung des Verkehrs in der Millionenstadt unser Übernachtungsziel anzusteuern.

In Altos, der Stadt oberhalb La Paz auf über 4000 Meter Höhe, kommen wir natürlich in die „Rush hour“ hinein. Die Straßen sind brechend voll mit Autos und Menschen und wir können uns nur schrittweise vorwärts bewegen. Wir versuchen, so gut es geht, im Strom mit zu schwimmen, und achten genau darauf, keinem „Collectivo“ in die Quere zu kommen, die im Sekundentakt an jeder beliebigen Stelle der Straße anhalten, um Fahrgäste ein- und aus zu laden.

Wir fahren, immer auf der Höhe, um La Paz herum und dann geht es in endlosen Kehren über ca. 20 km nach La Paz hinunter. Es ist schon dämmrig, als wir zum Hotel Oberland kommen. Hartmut erkennt noch vom letzten Aufenthalt die Auffahrt zum Hotel und wir biegen endlich auf den Parkplatz des Hotels Obeland ein; das wäre geschafft. Auf dem Platz steht schon das deutsche Pärchen mit kleinem Sohn, die wir schon in Copacabana vor dem Hostal getroffen haben.

Donnerstag, 24.12.2015 Weihnachten ist in diesem Jahr eine traurige Angelegenheit. Meine Hoffnung, wenigstens am Nachmittag mit 3 Stumpen-Kerzen unterm Kiefernstrauß mit dem jungen Ehepaar und Hartmut die letzte Weihnachtsstolle, die Hartmut aus Deutschland mit gebracht hatte, zu verputzen, wird nicht erfüllt. Die Familie will gleich früh in Richtung Uyuni-Salzsee fahren. Die „berühmte“ Lagunenroute lockt, und sie sind zeitlich sehr beschränkt (ein Elternjahr). Also sind wir am Heiligabend allein dort, keinen, mit dem wir einen Klönschnack machen können. Am Abend sitzen wir bei Kartoffelsalat und Würstchen im Wohnmobil, und ich bin den Tränen nahe. Noch nicht einmal mit den Enkeln konnten wir telefonieren. Seit Wochen hat das Hotel fast keinen Internetempfang mehr, ein Desaster für ein Tagungshotel. Bei unseren Telefonversuchen kann uns Patrick kaum verstehen. Wir fühlen uns einsam und fremd auf diesem Planeten. Nächstes Jahr will ich einen Tannenbaum und Weihnachtsmusik haben, und damit basta!!

 

Freitag, 25.12.2015 Uns hält nichts in La Paz. Durch die defekten Injektoren haben wir viel Zeit verloren, der El Nino droht im Hintergrund und wir wollen weiter. Wir haben lange überlegt, ob wir ebenfalls über die Lagunenroute nach Chile einreisen wollen. Aber ich habe „Schiß“ vor den Übernachtungen auf über 4300 m Höhe und außerdem soll die Route mittlerweile etwas „verstopft“ mit den vielen Autos der Touranbietern sein. Wenn wir auf dem direkten Weg nach Chile fahren, können wir in Chile über vier Nationalparks im Hochgebirge gen Süden fahren. Außerdem gibt es nur eine Übernachtung auf 4300 m Höhe, alle anderen sind tiefer gelegen. Vier Parks gegen den einen der Lagunenroute, wir entscheiden uns für den direkten Weg auch wenn Hartmut etwas jammert über die verpasste Chance für den berühmten Lagunenteil. Südamerika ohne Lagunenroute, das tut weh.

Leider müssen wir noch einmal nach La Paz hinein fahren, weil wir vergessen haben, Getränke zu kaufen. Auf dem Rückweg schieben wir uns im Stop and Go Verkehr die Straße entlang, zu deren rechter Seite ein Freizeitpark liegt. Jedes Auto hat mindestens ein oder zwei Spielzeugautos oder Spielzeugmotorräder in rosa oder hellblau auf dem Dach, der Renner für Kinder ab 4 Jahren!!

An der Straße nach Altos hoch liegt auf halber Höhe ein See, der am späten Vormittag dicht von Menschentrauben umgeben ist. Der Weg hinauf besteht auf der Gegenfahrbahn aus einer einigen Autoschlange, wir sind fassungslos. Die Menschen werden allein für die Anfahrt zum See Stunden brauchen, von der Parkplatzsuche ganz zu schweigen…. Aber des Menschen Wille ist sein Himmelreich.

Wir befinden uns jetzt auf der sog. Puna-Hochfläche, auf der nur noch Gras und kleines Buschwerk wachsen, gerade so viel, dass davon Lamas, Alpakas und Vicunyas leben können. Landwirtschaftliche Flächen gibt es keine mehr. Auf dem Weg aus Altos hinaus stehen überall am Straßenrand wieder die bettelnde Kinder. Wir überlegen, ob wir nicht ein paar Beutel mit Bonbons hätten kaufen sollen, aber angesichts der Massen von Kindern hätten auch mehrere Kilo davon nicht gereicht und außerdem haben wir schlichtweg nicht daran gedacht.

Hartmut kennt den Weg zum Salzsee Uyuni vom letzten Mal, er ist großteils recht langweilig. Der Weg jetzt nach Chile ist wesentlich abwechslungsreicher. Weite Punalandschaft, wundersame Canyons, in der Ferne schneebedeckte Vulkan in der Idealform des Kegels. Wir genießen die tollen Blicke und trödeln mit 60 kmh durch die Landschaft.

Als wir einen Bauern mit seiner großen, gemischten Herde aus Lamas, Alpakas und Schafen vor seinem Gehöft fotografieren wollen, werden uns erst laute Flüche zugerufen, und dann erfolgt ein Steinwurf mit einer Steinschleuder. Wir suchen total überrascht das Weite. In totaler Einsamkeit übernachten wir etwa 4000 Meter neben der Hauptstraße. Der Blick auf den Vulkan Sajama in der Abendsonne ist grandios, ein absolut gleichförmiger Kegel, oben mit weiß verziert. Davor die endlos weite Punafläche bis zum Horizont, wir sind ganz alleine mitten drin, eine tolle Übernachtungsumgebung.