Die Uruguay-Tour ist nur kurz, will ich doch vor allem das Womo im Schweizer Paradies abholen und dann Uruguay so schnell wie möglich wieder verlassen. Und das mache ich auch nach einem Zwischenstopp in Colonia.
20. bis 24.10.2016: Am Nachmittag des 20. bringen mich Marion und die beiden Enkel zum S-Bhf Heidelberg-Schlierbach, es ist Abschiedswetter, es nieselt und ist kalt. Ich verabschiede mich und steige mit flauen Gefühlen in die S-Bahn, ich bin mir nicht sicher, ob es die richtige Entscheidung war, alleine für eine 4. Runde nach Südamerika zu fliegen. Mit bangen Herzen sehe ich beim Losfahren die drei verschwinden und dann bin ich endgültig allein. Da ich die 23 erlaubten Gepäck-kg‘s nicht allzu viel überschreiten will, habe ich viel Schweres in den Fotorucksack gepackt. Zusammen mit dem großen Teleobjektiv sind es 21 kg, die auf der Schulter lasten. Und bei jeder Röntgenkontrolle interessieren sich die Leute intensiv für den Inhalt.
Der Flieger startet mit ½ h Verspätung, dafür braucht er 1 h weniger Flugzeit als angekündigt. Man startet im Dunkeln und kommt im Dunkeln an, eigentlich ideal für ein Schläfchen. Leider kann ich im Sitzen nicht schlafen, höchstens dösen und so bin ich recht müde bei der Ankunft in Sao Paulo, Brasilien. In 4 h soll der Weiterflug nach Montevideo starten, natürlich vom entferntesten Flugsteig, eine schöne Marschiererei bei dem „Handgepäck“. Und da sitze ich und warte aufs einchecken, die geplante Abflugzeit rückt immer näher. Da kommt eine Ansage (natürlich nur auf portugiesisch) und alle traben los bis fast zum ersten Flugsteig, ich natürlich hinterher. Und da warten wir erneut vor einem Flugsteig, die Flugcrew leistet uns freundlich Teilhabe an der Wartegesellschaft. Erst verschwindet die Crew in einen Kleinbus Richtung Flugzeug und dann werden auch wir endlose Kilometer über den Flughafen gekarrt. Endlich können wir unseren Flieger besteigen, er steht ganz weit draußen, bei dem anderen muss irgend kaputt gegangen sein. So starten wir mit über 1 h Verspätung und kommen natürlich auch mit über 1 h Verspätung in Montevideo an, der Taxifahrer, den das Schweizer Paradies für mich organisiert hat, muss dementsprechend warten. Aber bei fast 100 € Taxigebühr bis zum Paraiso Suiza geschieht ihm das nur recht, Uruguay ist wirklich teuer.
Und da stehe ich am Beginn der neuen Tour vor meinem Womo. Leider hat der Heinz vom Paradies das Fahrzeug verkehrt herum hingestellt, so konnte der Wind genau unter unsere Plane fassen, mit der wir im Frühjahr den Alkoven mühsam abgedeckt haben. Natürlich hängt die Plane in Fetzen herunter, andersrum aufgestellt hätte sie vielleicht gehalten. Heinz spricht von einem kalten Winter, von vielen Orkanen und viel Regen. Und so entere ich ängstlich das Womo, aber vorne im Alkoven ist alles trocken, die Abdichtungsmaßnahmen im Frühjahr waren auch ohne Abdeckung wirksam.
Es stehen eine ganze Menge Womos auf dem Platz und nach der Ankunft eines neuen Grimaldischiffes sind es alleine 5 Wagen aus Zürich, die Stadt muss nun merkbar leerer sein. Die einzigen, die ich wieder erkenne sind Uwe und Renate Petersson mir ihrem Unimog, die wir im Mai ebenfalls im Paradies getroffen haben, als wir unser Auto hier abstellten. Heinz ist kräftig am Bauen, ein Unterfahrschutz hinten muss her, damit er wieder in Argentinien einreisen darf. Derweil plausche ich bei strahlenden Sonnenschein mit Renate und habe kurze Zeit später einen kräftigen Sonnenbrand auf Nase und Kopf – ach schitt. Ich schwöre mir, mich ab jetzt immer einzucremen und immer einen Hut zu tragen und habe dies bislang eingehalten.
Aber erst einmal muss ich einkaufen, ich habe ja nichts zum Essen an Bord. Der nächstgelegene größere Supermarkt liegt in ca. 15 km Entfernung in Piriapolis, leider ist eine Mautstelle dazwischen mit 2 ½ € für die Hinfahrt und 2 ½ € für die Rückfahrt. Und Uruguay ist wirklich teuer. Wenn man so frisch aus Deutschland kommt, dann sieht man, dass das Preisniveau eher der Schweiz entspricht, man wird viel Geld los für wenige Lebensmittel.
Am 21. und 22. haben wir herrlichen Sonnenschein, am 23. wird dann das Wetter schlechter, der Wind bläst, die Sonne kommt nur gelegentlich heraus und es wird richtig kalt. Ich habe aus Deutschland Reparaturmaterial für den Dachausstieg mit gebracht. An drei Seiten klebe ich den Dachausstieg mit GFK-Winkeln neu aufs Dach, das wird jetzt hoffentlich halten und dicht bleiben. Die vierte Seite mit der Halterung der Tür ist wesentlich komplizierter einzukleben und bei dem schlechten Wetter verzichte ich darauf, ich werde es später nachholen (und richtig, die Arbeit dauert fast einen Tag).
Am 23. wird Heinz 62 und lädt alle Gäste des Paradieses zum Umtrunk ein, da ist ein fröhliches Gebrabbel, wobei ich die kopfstarke Schweizer Fraktion kaum zu verstehen kann.
25. bis 28.10. 2016: Endlich geht es los, großes Verabschieden und dann starte ich kurz vor Mittag in Richtung Colonia del Sacramento. Es sind so 270 km bis dahin, vorbei an Montevideo (zum Glück) durch langweilige südamerikanische Feld- und Wiesenlandschaft. Und natürlich begrüßt mich ein langer heftiger Regenguss, die Dichtheit der provisorischen Reparaturmaßnahme auf der vierten Seite des Alkovenausstiegs (vom Frühjahr) wird nochmal auf die Probe stellt, sie ist dicht. Ich komme erst in der Dämmerung in Colonia an und stelle mich auf den wunderschönen Platz vor der Stadtmauer direkt am Wasser hin. Es herrscht ein kräftiger Sturm und der Rio de la Plata zeigt sich von einer ganz neuen „Art“. Er ist heftig aufgewühlt, das Ufergebiet ist teilweise überflutet und vor der Stadtmauer brandet der Gischt hoch.
Den nächsten Vormittag tingele ich durch die Altstadt. immerhin ist sie Welterbe der Unesco geworden und hat in der Altstadt „hinter“ den Resten der Stadtmauer viele hübsche Gässchen und Häuser. “Vor“ der Stadtmauer gibt es weitere Straßen mit schönen Häusern und wunderschönen Platanenalleen. Und die Neustadt??? Sie ist halt typisch südamerikanisch hässlich und lohnt keine Besichtigung.
15 km nördlich von Colonia gibt es einen Campingplatz direkt am Rio de la Plata (Brisas la Plata), hier habe ich mich mit Wolfgang Hexel verabredet, der gestern aus Deutschland los geflogen ist. Wir haben uns im letzten Jahr in Cusco getroffen und haben uns hier auf ein neues Treffen verabredet. Und wirklich, um 15 Uhr trudelt er ein mit seinem uralten 4x4 VW-Bus. Obwohl er ziemlich fertig sein muss nach dem langen Flug kommen (er konnte auch nicht schlafen) wir erst nach Mitternacht ins Bett, es gibt einfach zu viel zu erzählen.
Am 27. Mittags fahren wir beide dann nach Colonia und machen zusammen noch einen kurzen Stadtbummel, ehe er sich zu einer 15 km entfernten Werkstatt verabschiedet. In seinem Fluggepäck waren 45 kg Ersatzteile, die jetzt eingebaut werden müssen. Ich selber bleibe noch einen weiteren Tag in der Stadt, telefoniere lange per Skype mit Marion und den Kindern, bewundere eine lange Oldtimerparade, die die Hauptstraße herunterfuhr (leider hatte ich die Kamera nicht griffbereit) und übernachte noch einmal auf meinem Lieblingsplatz vor der Stadtmauer.
Samstag 29.10.2016: Der letzte Tag in Uruguay. Es geht 235 km durch weites Uruguay-Bauernland. Die vielen Siloanlagen am Rand der Straße zeigen, wie viel hier produziert wird. Es ist ein plattes Land, nur an einer Stelle gibt es eine wunderschöne Allee mit alten Bäumen. Und genau hier kommt mir die Oldtimerparade von gestern entgegen, jetzt habe ich die Kamera griffbereit. Die Leute machen anscheinend eine Oldtimerralley, schön zusammengehalten von einem Polizeiauto vorne und Abschlusswagen hinten zuckeln sie so mit 35 km/h dahin – und dahinter eine Riesenkolonne von Autos, die alle nicht überholen können, zum Glück stehe ich in der Gegenrichtung.
Ich übernachte bei Fray Bentos am Rio Uruguay in Sichtweite der Brücke hinüber nach Argentinien. Es ist eigentlich ein hübscher Platz, aber genau gegenüber tönt eine Riesen-Chemieanlage die ganze Nacht hinüber. Es ist ein durchaus unromantischer Platz, was aber am Samstag Abend auch Vorteile hat. Und wirklich, ich wurde in der ganzen Nacht nur einmal besucht, ansonsten ist es wunderbar ruhig.